Als die Verheerungen des Dreißigjährigen Krieges ihr Ende fanden, war der Weimarer Musikersohn Andreas Oswald d. J. gerade vierzehn Jahre alt. Als er 1665 starb, war er kaum mehr als dreißig – ein verheißungsvolles Talent, abgeschoben auf den schlecht dotierten Posten des Eisenacher Stadtorganisten, nachdem er drei Jahre früher mit dem Tode Herzog Wilhelms IV. von Sachsen seinen kunstsinnigen Dienstherrn verloren hatte. Von dem Potential des jung verstorbenen Musikers zeugen achtzehn erhaltene Sonaten für kleine Instrumental-Ensembles von maximal vier Spielern, die aber so geschickt und erfindungsreich eingesetzt sind, dass ein expressives Spektrum von großer Bandbreite entsteht: mal rustikal volkstümlich, mal meditativ schwebend, dann wieder martialisch trompetend oder poetisch versonnen, strukturell ungewöhnlich reich und experimentierfreudig, kurzum äußerst charaktervolle Musik einer Wiederaufbauphase, in der erst mählich wieder Form annimmt, was sinnlose Gewalten zuvor pulverisiert hatten. Unter dem Motto »Tradition entdecken« hat sich die Capella Jenensis insbesondere der Wiederentdeckung mitteldeutscher Kunstschätze verschrieben. Mit der vorliegenden Aufnahme präsentiert das Ensemble ein Dutzend Oswald’scher Sonaten, die die wenigen, bislang in verschiedenen Recitals anderswo verstreuten Stücke durch zahlreiche Ersteinspielungen ergänzen und, so weit das überhaupt möglich ist, das Bild eines bemerkenswerten Komponisten skizzieren, dem man unbedingt ein längeres Leben gewünscht hätte.
Erscheint im Oktober 2023
Label: CPO